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Semantik Logik Einführung Kapitel 6

 

 

Lassen sich unser Wissen und unsere Schlüsse formal repräsentieren, wollen wir diesen sinnentleerten Symbolfolgen wiederum Bedeutungen und somit Bewertungen zuweisen.

 

Die Semantik (Bedeutungslehre) beschäftigt sich mit der Bedeutung von sprachlichen Zeichen, Worten und Sätzen.

D.h. in der Semantik wird die Bedeutung/Bewertung der Sätze und damit ihr Gehalt oder Wahrheitswert in der Welt definiert. 
Wir brauchen also Regeln, die festlegen, welche Bedeutung eine Aussage in einer bestimmten Welt (zu einem bestimmten Zeitpunkt) hat.

 

Beispiel – unterschiedliche Welten: Wumpus-Welt

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt. 
Bei dem Spiel ist grundsätzlich jede mögliche Spielumgebung eine Welt. 
In unterschiedlichen Umgebungen kann die Aussage Luftzug(B,3) zutreffen, also wahr sein, oder auch nicht. 
Da sich der Agent bewegen kann, ist eine Welt nicht nur durch die Spielumgebung definiert, sondern auch durch jeden einzelnen Spielzeitpunkt.

Beispiel – unterschiedliche Welten: Zahlen

Definieren wir die Bedeutung des Symbols ‚+‘ standardmäßig, könnte

 

  • die Symbolfolge x+y=10

in der Welt der natürlichen Zahlen bedeuten, dass

  • x=3 und y=7 ist

in der Welt der binären Zahlen hingegen, dass

  • x=1 und y=1 sind

Um die Bedeutung einer Aussage in einer bestimmten Welt (zu einem bestimmten Zeitpunkt) erfassen zu können, müssen wir einerseits

  1. die Interpretation (also die Bedeutung) der Elementaraussagen in dieser Welt (zu diesem bestimmten Zeitpunkt) kennen

und andererseits allgemein wissen

  1. wie wir aus diesen einzelnen Bedeutungen eine Bewertung des ganzen Satzes generieren.

Dabei kann die Bedeutung einer Aussage eindeutig durch die Bedeutungen ihrer Teilaussagen bestimmt sein, oder auch nicht (Prinzip der Extensionalität/Intensionalität). 

Mit Begriffen wie der Erfüllbarkeit oder der Gültigkeit wird der Zusammenhang zwischen einer Aussage und ihren möglichen Interpretationen bezeichnet.

 
 
 

Interpretation

(Logik Einführung Kapitel 6.1)

 

 

 

Die Interpretation einer Formel ist eine, vom Zustand der Welt abhängige, Bewertung ihrer Atome.

Beispiel – Interpretation Wumpus-Welt

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt.
Wir wollen Formeln wie z.B

 

  • Luftzug(B,1) UND Gestank(A,2)

dahingehend bewerten, ob sie wahr oder falsch sind. 

In allen Welten, in denen

  • auf Feld [B,1] ein Luftzug wahrnehmbar ist

ergibt die Interpretation der Formel für die Elementaraussage

  • Luftzug(B,1) wahr

In allen Welten, in denen

  • auf Feld [A,2] ein Gestank wahrnehmbar ist

ergibt die Interpretation der Formel für die Elementaraussage

  • Gestank(A,2) wahr

Beispiel – Interpretation von Ereignissen

Angenommen unser Wissen bezieht sich auf Ereignisse und die Bedeutung der Ereignisse liegt für uns in der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens und wir interessieren uns für die beiden Sätze

 

  • „Es regnet heute“
  • „Mutter ruft heute an“

Mittels einer Interpretation der Lage stellen wir z.B. fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass

  • es heute regnet bei 40% liegt, und
  • Mutter heute anruft 20% ist.

Bewertungsfunktion

(Logik Einführung Kapitel 6.2)

Um zusammengesetzten Aussagen eine Bewertung zuweisen zu können, definieren wir für alle nichtatomaren Elemente einer Formel, welche Gesamtbewertungen sich aus den Wahrheitswertkombinationen der Argumente ergeben. 

 

Die Bewertungsfunktion (auch Auswertungsfunktion, Denotationsfunktion, Wahrheitswertefunktion) legt fest, wie aus der Bewertung der Elementaraussagen die Bedeutung zusammengesetzter Aussagen zu generieren ist.

Die Bewertungsfunktion wird oft als Erweiterung der Interpretation angesehen.
Sie kann z.B. über Regeln oder durch Wahrheitstabellen definiert werden. 

Eine Wahrheitstabelle (oder auch Wahrheitstafel) ist eine Tabelle, die jeder möglichen Kombination einer endlichen Anzahl von Wahrheitswerten ein Ergebnis zuweist.

Beispiel – Bewertung Wumpus-Welt

Führen wir das Beispiel aus dem Kapitel „Interpretation“ fort.
Da die Symbolfolge UND unserem umgangssprachlichen „und“ entsprechen soll, definieren wir mittels der Bewertungsfunktion, dass

 

  • eine mit UND zusammengesetzte Formel ‚A UND B‘ genau dann wahr ist, wenn die Formeln A und B beide wahr sind.

Die Wahrheitstabelle sieht wie folgt aus:

A B A UND B
falsch falsch falsch
falsch wahr falsch
wahr falsch falsch
wahr wahr wahr

Beispiel – Bewertung von Ereignissen

Führen wir das Beispiel aus dem Kapitel „Interpretation“ fort. 
Wir definieren die Bewertungsfunktion z.B. so, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens 2er Ereignisse A UND B

 

  • die Wahrscheinlichkeit_von_A* Wahrscheinlichkeit_von_B ist.

Somit ergibt sich für die Aussage

  • „Es regnet heute UND Mutter ruft heute an“

die Bewertung (also die Wahrscheinlichkeit)

  • 8%

Extensionalität / Intensionalität

(Logik Einführung Kapitel 6.3)

Die Extensionalität (oder auch Wahrheitsfunktionalität) ist eine Eigenschaft von Sprachen, die besagt, dass

 

  1. die Bedeutung eines Wortes eindeutig durch den benannten Gegenstand, und
  2. die Bedeutung eines zusammengesetzten Ausdrucks eindeutig durch die Bedeutung der Worte und deren Zusammensetzung

festgelegt ist. 

Ein Junktor ist extensional, wenn die Bedeutung einer durch ihn gebildeten Formel eindeutig durch die Bedeutung seiner Argumente bestimmt ist.

Beispiel – Extensionale Sprachen

Die Sprache der Arithmetik ist extensional:
Z.B. die Bedeutung der Aussage

 

  • A+B

ist eindeutig durch die Teilaussagen

  • A
  • +
  • B

gegeben. 

Genauso ist es in der Wumpus-Welt: 
Z.B. die Bedeutung der Aussage

  • Gestank(A,1) UND Luftzug(A,1)

ist eindeutig durch die Bedeutung der Teilaussagen festgelegt.

Ist eine Sprache/ein Junktor nicht extensional, wird sie/er als intensional bezeichnet.

Beispiel – Intensionale Sprachen

Natürliche Sprachen sind im Allgemeinen intensional. 

 

Die Bedeutung eines Wortes ist oft mehrdeutig und von der Intention des Sprechers abhängig – Aussagen haben oft in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutungen. 

Außerdem können mehrere Worte zwar ein und dasselbe Objekt bezeichnen, aber dennoch als unterschiedlich empfunden werden – die Begriffe

  • Abendstern

und

  • Morgenstern

bezeichnen z.B. beide den

  • Planeten Venus

haben aber unterschiedliche Bedeutungen. 

Auch die Bedeutung von Sätzen ist nicht immer eindeutig – allein aus der Aussage

  • „Vielleicht gehe ich morgen tanzen, oder ich gehe übermorgen ins Theater“

ist z.B. nicht erkennbar, ob

  • das eine das andere ausschließt

oder ob ich

  • auch beides

machen könnte.

 
 
 

Formeln & Interpretationen

(Logik Einführung Kapitel 6.4)

Betrachten wir nun den Zusammenhang zwischen einer Formel und ihren möglichen Interpretationen. 

 

Wir sagen: 

Eine Interpretation erfüllt eine Formel, wenn diese einen Zustand der Welt beschreibt, bei dem die Aussage der Formel wahr ist.
Eine Interpretation erfüllt eine Formelmenge, wenn diese einen Zustand der Welt beschreibt, bei dem alle Formeln der Menge wahr sind.
Erfüllt eine Interpretation eine Formel, wird sie Modell dieser Formel genannt.
Erfüllt eine Interpretation eine Formelmenge, wird sie Modell dieser Formelmenge genannt.
Stimmen die Modelle mehrerer Formeln überein, sagen wir, diese Formeln seien äquivalent.

Beispiel – Eine Interpretation erfüllt eine Formel

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt. 

 

Jede Interpretation, die eine Welt beschreibt, in der

  • auf Feld [B,1] ein Luftzug und
  • auf Feld [A,2] ein Gestank

wahrnehmbar ist, erfüllt die Formel

  • Luftzug(B,1) UND Gestank(A,2)

Alle diese Interpretationen sind also Modelle.

 

Erfüllbarkeit

 

Eine Formel ist erfüllbar, wenn es zumindest eine Interpretation gibt, die die Formel erfüllt.
Eine Formelmenge ist erfüllbar, wenn es zumindest eine Interpretation gibt, die alle Formeln der Menge erfüllt.

Beispiel – Eine Formel ist erfüllbar

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt.
Die Formel

 

  • Luftzug(B,1) UND Gestank(A,2)

ist erfüllbar, da es Welten gibt, in denen

  • auf Feld [B,1] ein Luftzug und
  • auf Feld [A,2] ein Gestank

wahrnehmbar ist, und alle Interpretationen die diese Welten beschreiben die Formel erfüllen.

 

Widerlegbarkeit

(Logik Einführung Kapitel 6.4.2)

 

 

Eine Formel ist widerlegbar, wenn es zumindest eine Interpretation gibt, die die Formel nicht erfüllt.
Eine Formelmenge ist widerlegbar, wenn es zumindest eine Interpretation gibt, die keine Formel der Menge erfüllt.

Beispiel – Eine Formel ist widerlegbar

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt.
Die Formel

 

  • Luftzug(B,1) UND Gestank(A,2)

ist widerlegbar, da es Welten gibt, in denen entweder

  • auf Feld [B,1] kein Luftzug, oder
  • auf Feld [A,2] kein Gestank

wahrnehmbar ist, und alle Interpretationen die diese Welten beschreiben die Formel nicht erfüllen.

 

Unerfüllbarkeit

(Logik Einführung Kapitel 6.4.3)

 
Eine Formel ist unerfüllbar, wenn es keine Interpretation gibt, die die Formel erfüllt.

 

Eine Formelmenge ist unerfüllbar, wenn es keine Interpretation gibt, die alle Formeln der Menge erfüllt.
Eine unerfüllbare Formel wird Widerspruch genannt.

Beispiel – Eine Formel ist unerfüllbar

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt.
Die Formel

 

  • Wumpus(A,1)

ist unerfüllbar, da sich der Wumpus laut Spieldefinition nicht auf dem Startfeld [A,1] befinden kann.

 

Gültigkeit

(Logik Einführung Kapitel 6.4.4)

 

 

Eine Formel ist gültig, wenn alle Interpretationen diese erfüllen.
Eine Formelmenge ist gültig, wenn alle Interpretationen alle Formeln der Menge erfüllen.

Umgangssprachlich könnte man sagen, die Formel (die Formelmenge) ist allgemeingültig. 

Eine gültige Formel wird Tautologie genannt.

Beispiel – Eine Formel ist gültig

Betrachten wir wieder die Wumpus-Welt.
Die Formel

 

  • WENN (NICHT Luftzug(A,1)) DANN (NICHT Fallgrube(A,2) UND NICHT Fallgrube(B,1))

ist gültig, da es laut Spieldefinition keine Welt geben kann, in der auf einem Feld kein Luftzug spürbar ist, obwohl sich auf einem benachbarten Feld eine Fallgrube befindet.

 
 

Zusammenhänge

(Logik Einführung Kapitel 6.4.5)

 

 

Es gelten folgende Zusammenhänge zwischen der Gültigkeit und der Erfüllbarkeit einer Formel: 

 

Eine Formel ist genau dann gültig, wenn das Gegenteil der Formel unerfüllbar ist.

Laut Definition ist eine Formel genau dann gültig, wenn alle Interpretationen diese erfüllen.
Da es nicht möglich ist, dass eine Interpretation eine Formel und ihr Gegenteil erfüllt, kann es keine Interpretation geben, die das Gegenteil der Formel erfüllt.
Dieses ist also lauf Definition unerfüllbar. 

Eine Formel ist genau dann erfüllbar, wenn das Gegenteil der Formel widerlegbar (also keine Tautologie) ist.

Laut Definition ist eine Formel genau dann erfüllbar, wenn eine Interpretation existiert, die diese erfüllt.
Da es nicht möglich ist, dass eine Interpretation eine Formel und ihr Gegenteil erfüllt, kann es nicht sein, dass diese Interpretation das Gegenteil der Formel erfüllt.
Dieses ist also lauf Definition widerlegbar.